Vorbemerkungen

Schreibweisen (wohlgeformte Ausdrücke)

Wir benutzen die folgenden Schreibweisen für Zahlausdrücke:

0
Die Zahl 0, eine besondere natürliche Zahl
a,b,c,d,e
Variable für natürliche Zahlen

Seien x und y Zahlausdrücke. Dann benutzen wir folgende weitere Schreibweisen für Zahlausdrücke (die angeführte Bedeutung soll nur ein Hinweis sein, da die deutsche Sprache unter Umständen nicht eindeutig ist; die genaue Bedeutung ergibt sich erst durch das Verhalten der jeweiligen Symbole unter den Schlußregeln und ihrer Benutzung in den Axiomen):

Sx
Der sogenannte Nachfolger von x
(x+y)
Die sogenannte Summe der Zahlen x und y
(x·y)
Das sogenannte Produkt der Zahlen x und y

Schließlich bilden wir aus Zahlausdrücken Aussagen wie folgt:

x=y
soll die Gleichheit der beiden Zahlen ausdrücken

Sind P und Q zwei Aussagen, so benutzen wir folgende Schreibweisen für weitere Aussagen:

¬P
Negation der Aussage
<PQ>
Konjunktion der beiden Aussagen
<PQ>
Die erste Aussage impliziert die zweite

Eine Variable v, die in einer Aussage vorkommt, wird als gebunden bezeichnet, wenn sie mindestens einmal nach einem Allquantor (v) vorkommt. Alle anderen Variablen, die in einer Aussage vorkommen, werden als frei bezeichnet. Ist v eine Variable, die in P nicht gebunden vorkommt (also frei vorkommt oder gar nicht vorkommt), so benutzen wir folgende weitere Schreibweise für eine Aussage:

v: P
Aussage P gilt für alle Werte der über natürliche Zahlen laufenden Variablen v

Bisher haben wir lediglich die Schriftzeichen festgelegt, mit denen wir arbeiten wollen. Zu ihrer Bedeutung ist noch nichts gesagt worden (bzw. was gesagt wurde, darf getrost ignoriert werden).

Schlußregeln

Ein Beweis für eine Aussage besteht aus einer endlichen Folge von Aussagen, deren jede entweder aus einer oder mehreren vorhergehenden Aussagen folgt oder selbst keines Beweises bedarf (Axiom). Natürlich muß man sich einig sein, was hierbei zulässig ist.

Wir benutzen die folgenden Schlußregeln, um aus als bereits bewiesen angesehenen Aussagen weitere zu gewinnen:

Abtrennung I
Aus <PQ> folgt P
Abtrennung II
Aus <PQ> folgt Q
Konjunktion
Aus P und Q folgt <PQ>

(Hierdurch wird die Bedeutung der Konjunktion festgelegt).

Doppelte Negation
Aus ¬¬P folgt P und umgekehrt.

(Ein wichtiger Hinweis zur Bedeutung der Negation).

Hypothese / Übernahme / Konklusion
Setzen wir eine beliebige Aussage P voraus und gelingt es uns dann unter Benutzung der Schlußregeln sowie den zuvor ohne abweichende bzw. zusätzliche Voraussetzungen bewiesenen Aussagen die Aussage Q zu beweisen, so gilt dies als Beweis für <PQ>
Modus ponens
Aus <PQ> und P folgt Q
Kontraposition
Aus <PQ> folgt Q ⇒ ¬P>

(Hierdurch wird die Bedeutung der Implikation [und ihr Zusammenhang zur Negation] festgelegt). Die Regel zur Kontraposition sieht auf Anhieb nicht so zwingend aus. Sie ist aber ein wichtiges Mittel zur Vermeidung von Widerspr�chen (Aussagen der Form <P∧¬P>).

Spezialisierung
Haben wir v: P, ist x ein beliebiger Zahlausdruck und entsteht Q aus P, indem jedes Vorkommen der Variablen v durch den Zahlausdruck x ersetzt wird, so folgt Q
Verallgemeinerung
Haben wir P und kommt die Variable v in P nicht gebunden vor und kommt v in keiner Voraussetzung, die zur Herleitung von P benutzt wurde, frei vor, so folgt v: P

(Hierdurch wird die Bedeutung des Allquantors festgelegt).
Wer mit den bis hierher aufgeführten Schlußweisen nicht einverstanden ist, hat leider eklatant abweichende Vorstellungen vom Schlußfolgern. Diese mögen ebenso berechtigt sein, müßten allerdings vom betreffenden zunächst einmal formuliert werden, damit man sich auf irgend etwas einigen kann.

Weitere Regeln:

Symmetrie
Aus x=y folgt y=x
Transitivität
Aus x=y und y=z folgt x=z

(Hierdurch wird die Bedeutung des Gleichheitszeichens weitestgehend festgelegt; eine wichtige Eigenschaft, daß nämlich grundsätzlich a=a gilt, fordern wir hier nicht, sie wird jedoch aus einem Axiom folgen [es genügt, daß für jede Zahl Gleichheit mit irgendetwas besteht])

Axiome der Zahlentheorie

Wir benutzen speziell für die Zahlentheorie die folgenden Axiome:

(1) Axiom 1 ∀a: ¬Sa=0
(2) Axiom 2 ∀a: (a+0)=a
(3) Axiom 3 ∀a: ∀b: (a+Sb)=S(a+b)
(4) Axiom 4 ∀a: (a·0)=0
(5) Axiom 5 ∀a: ∀b: (a·Sb)=((a·b)+a)

Hierdurch soll die Bedeutung der Null, des Nachfolgers, der Addition und der Multiplikation festgelegt sein. Jeder der dieselbe Vorstellung von den natürlichen Zahlen, der Null, der Addition usw. teilt, akzeptiert auch die von den Axiomen behaupteten Eigenschaften. Man kann sich dementsprechend sicher sein, daß man sich einigermaßen einig ist, worüber man spricht, wenn man sich bei den Axiomen einig ist. Wer umgekehrt diese Axiome nicht akzeptiert, hat definitiv andere Vorstellungen von den Dingen, die durch die verwendeten Symbole repräsentiert werden sollen.

Leider können aber Menschen, die sich bis hierhin einig sind, immer noch verschiedene Vorstellungen zum Thema natürliche Zahlen haben. Diese Vorstellungen können sogar soweit differieren, daß einer behaupten kann, es gebe eine Zahl zwischen 4 und 5: Versteht man etwa unter Zahl nicht die mögliche Stärke einer Schafherde (unter 0 die Stärke der leeren Schafherde, unter S das Hinzufügen eines Schafes usw.), sondern die mögliche Länge einer Schnur (unter 0 die Länge der leeren Schnur, unter S das Hinzufügen von einem Klafter usw.), so gelten die genannten Axiome auch in diesem Modell; es gibt aber Schnüre mit einer Länge zwischen 4 und 5 Klafter. Es darf insofern nicht verwundern, daß es selbst nach Akzeptieren aller bisherigen Schlußweisen und Axiome nicht möglich ist, die Aussage

Es gibt keine natürliche Zahl zwischen 4 und 5

zu beweisen. Dies ist kein bug, sondern ein feature: Falsche Aussagen lassen sich nicht beweisen.

Spezielle Schlußweisen für die Zahlentheorie

Normalerweise akzeptieren wir das Schnurlängenmodell nicht als Modell für die natürlichen Zahlen. Erst durch das Prinzip der vollständigen Induktion wird die Vorstellung vom Begriff der natürlichen Zahl so weit eingeengt, daß die übliche Zahlentheorie betrieben werden kann. Es formalisiert einfach das Prinzip, daß man, wenn man bei 0 anfängt und fortwährend zum Nachfolger übergeht, schließlich bei jeder beliebigen natürlichen Zahl ankommt (wohlgemerkt bei jeder einzelnen, nicht bei allen gleichzeitig). Außerdem muß noch formalisiert werden, daß der Nachfolger eine eindeutige Abbildung ist; akzeptiert man dies nicht, hat man möglicherweise ein Modell der natürlichen Zahlen, das keinen Ordnungsbegriff, geschweige denn ein "zwischen" sinnvoll definieren läßt.

S hinzufügen
Aus x=y folgt Sx=Sy
S entfernen
Aus Sx=Sy folgt x=y
Induktion
Entsteht Q aus P, indem man die (freie) Variable v durchweg durch 0 ersetzt, und entsteht R aus P, indem man v durchweg durch Sv ersetzt, und haben wir sowohl Q als auch v: <PR>, so folgt v: P

Abweichungen gegenüber Hofstadters TNT

Die hier vorgestellte Theorie orientiert sich weitestgehend an der Theoria Numerorum Typografica aus Douglas R. Hofstadters Gödel, Escher, Bach. Wie verzichten jedoch auf einige Bestandteile, ohne hierbei die Theorie abzuschwächen:

Existenzquantor

Man kann v: P ersetzen durch ¬∀v: ¬P. Auch die entsprechende Regel, daß eine Existenzaussage durch ein Beispiel bewiesen werden kann, ist verzichtbar, wie man am folgenden Beispiel sieht:

(1) Hypothese  (S0+S0)=SS0
(2) Hypothese   ∀a: ¬(a+S0)=SS0
(3) Spezialisierung (2) aS0   ¬(S0+S0)=SS0
(4) Konklusion (2), (3)  <∀a: ¬(a+S0)=SS0 ⇒ ¬(S0+S0)=SS0>
(5) Kontraposition (4)  <¬¬(S0+S0)=SS0 ⇒ ¬∀a: ¬(a+S0)=SS0>
(6) Doppelte Negation (1)  ¬¬(S0+S0)=SS0
(7) Modus ponens (5), (6)  ¬∀a: ¬(a+S0)=SS0

Disjunktion

Man kann <PQ> beispielsweise definieren durch PQ>. Die entsprechenden Schlußregeln (De Morgan usw.) sind dann verzichtbar.

Kontraposition

Wir benutzen nur eine Variante zur Kontraposition. Die andere ergibt sich hieraus zusammen mit der doppelten Negation.

(1) Hypothese  P ⇒ ¬Q>
(2) Kontraposition (1)  <¬¬Q ⇒ ¬¬P>
(3) Hypothese   Q
(4) Doppelte Negation (3)   ¬¬Q
(5) Übernahme (2)   <¬¬Q ⇒ ¬¬P>
(6) Modus ponens (5), (4)   ¬¬P
(7) Doppelte Negation (6)   P
(8) Konklusion (3), (7)  <QP>

Doppelte Negation

Unsere Variante betrachtet nur die "äußere" Negation der gesamten Aussage und ist somit ein wenig strenger.

Schreibweise einer "Fantasie"

Wir benutzen keine Extra-Zeilen, um den Anfang und das Ende einer "Fantasie" anzuzeigen. Stattdessen wird dies lediglich durch die Einrückung gekennzeichnet.

Übersicht